Experten-Interview HDD: Entwicklungen, Herausforderungen und wünschenswerte Perspektiven
Das HDD-Verfahren hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird künftig weiter in den Fokus rücken. Dr.-Ing. Thorsten Späth, Leiter egeplast Produktmanagement, hat sich mit Marc Schnau, Vizepräsident des DCA, zu dieser umweltfreundlichen Verlegemethode ausgetauscht.
Herr Schnau, neben der Tätigkeit im eigenen Ingenieurbüro engagieren Sie sich im Verband Güteschutz Horizontalbohrungen e. V. (DCA) und sind derzeit Vize-Präsident. Wofür engagiert sich der DCA Verband?
Ziel des Verbandes ist es, auf europäischer Ebene den technischen Standard von Horizontalbohrungen aufrechtzuerhalten, zu fördern und weiterzuentwickeln. Zudem sollen die Rahmenbedingungen für den Einsatz dieses Verfahrens verbessert werden.
Darüber hinaus bietet der Verband ein internationales Forum, das einen ständigen Erfahrungsaustausch zwischen ausführenden HDD-Unternehmen, Firmen aus dem Bereich der Zuliefererbranche, Planern, Kunden und Behörden ermöglicht.
Welche Herausforderungen beeinflussen aktuell die Branche?
Seit einigen Jahren dominiert der Bedarf aus den Hoch- und Höchstspannungskabelprojekten die Nachfrage im HDD-Bereich. Sowohl Auftraggeber als auch HDD-Unternehmer mussten und müssen ein gegenseitiges Verständnis von Anforderungen, Möglichkeiten und Einsatzgrenzen entwickeln. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen und wird auch noch einige Zeit andauern, da sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite Personalressourcen aufgestockt werden, oftmals als Quereinsteiger in die HDD-Technik, die zusätzlich in diesen Prozess integriert werden müssen.
Welche Anforderungen haben in den letzten Jahren das HDD Verfahren beeinflusst und die Entwicklung voran getrieben?
Hier sind zuallererst die höheren Anforderungen an die Bohrgenauigkeit bei den Kabelprojekten zu nennen. Eine Vielzahl der für diese Projekte erforderlichen Bohrungen betreffen die sogenannte „Kleinbohrtechnik“. Hier sind Horizontalbohrungen mit Längen bis ca. 400 m unter Einsatz von Bohranlagen bis 400 kN Zugkraft auszuführen. In diesem Segment war früher der Einsatz von Walk-Over-Ortungsverfahren ohne besondere Genauigkeitsanforderungen für die Installation von Kabelschutz- oder Produktrohren aus HDPE üblich. Da bei den Hoch- und Höchstspannungskabelprojekten jedoch i.d.R. mehrere parallele HDD-Bohrungen (teilweise bis zu 14 Stck.) zu erstellen sind und die Kabelabstände und -tiefenlagen entscheidende Kriterien darstellen, um die berechnete Wärmeableitung im späteren Kabelbetrieb zu gewährleisten, unterliegen sie besonderen Genauigkeitsanforderungen. Aus diesem Grund werden in der Kleinbohrtechnik sehr viel häufiger als früher kabelgeführte Bohrvermessungssysteme eingesetzt. Das damit bei allen Beteiligten aufgebaute Know-How kommt nun selbstverständlich auch anderen Projekten außerhalb der Hoch- und Höchstspannungskabelverlegung zugute. Der DCA hat auch dementsprechend sein jährliches Mitgliederforum im Mai 2023 dem Thema Bohrgenauigkeit gewidmet.
Die in den vorherigen Punkten erwähnte hohe Nachfrage führt natürlich zu einem stetig wachsenden Bestand von im HDD-Verfahren verlegten Leitungen. Folglich kommt der fachgerechten Bestandsdokumentation eine sehr wichtige Rolle zu, um auch zukünftigen Bauprojekten eine verlässliche Grundlage zur Bestimmung von verfügbarem Bauraum zur Verfügung zu stellen. Neben der Dokumentation der Bestandslage sind aber auch Dokumentationen über die Bauausführung in Form von Tagesberichten, Bohr- und Spülungsprotokollen wichtig. Moderne Bohrgeräte bieten hier mittlerweile Systeme zur automatischen Bohrdatenerfassung. Um die Vielfalt der hier erfassbaren Informationen zu kanalisieren, hat auch hier der DCA einen Arbeitskreis gegründet, welcher entsprechende Vorgaben als Empfehlung erarbeiten soll.
Wie trägt die Möglichkeit, Leitungen im HDD Verfahren zu verlegen, nachhaltig zum Schutz der Umwelt bei?
Das HDD-Verfahren ist eine umweltschonende Verlegealternative, da der Eingriff in sensible Naturräume vermieden bzw. minimiert werden kann. Insbesondere bei der Anlandung von Offshore-Windpark-Anbindungskabeln in der Nordsee wird dies unter Beweis gestellt. . Aber auch onshore werden auf diversen zu erstellenden Energietrassen Naturräume geschont, indem sie mit dem HDD-Verfahren grabenlos unterquert werden.
Die nationalen Kapazitäten scheinen für die bevorstehenden Projekte im Markt nicht auszureichen. Schätzen Sie ausländische Firmen, deren Qualifikationen ggf. nicht ausreichen, als Risiko ein?
Das ist in der Tat ein großes Thema am Markt. Die derzeit verfügbaren Kapazitäten in Deutschland werden nicht ausreichen, um die Nachfrage zu bedienen. Bereits jetzt sind daher mehrere ausländische HDD-Unternehmen auf Projekten in Deutschland zu sehen. Als DCA sehen wir hier ein Risiko, dass der über Jahre in Deutschland aufgebaute Qualitätsstandard, u.a. mit Zertifizierung von HDD-Unternehmen nach DVGW-Arbeitsblatt GW 302, unterwandert werden könnte. Im Hinblick auf eine fortlaufende Europäisierung werden allerdings nationale Regelwerke sowie damit zusammenhängende Zertifizierungen ohnehin an Bedeutung verlieren. Sowohl der DCA als auch andere Verbände arbeiten an Maßnahmen, um sowohl nationale Regelwerke zu internationalisieren als auch Qualifizierungsmaßnahmen wie Fachpersonalschulungen in englischer Sprache ausländischen Firmen zugänglich zu machen. Generell kommt der Schulung von Fachpersonal eine nochmals höhere Bedeutung zu, da, wie schon erwähnt, Ressourcen aufgebaut werden und zahlreiche Quereinsteiger in die HDD-Branche eintreten müssen.
Welche zusätzlichen oder besseren Eigenschaften könnten zukünftige Rohrsysteme wünschenswerterweise haben?
Kunststoffrohre aus HDPE bieten eine hohe Flexibilität, kommen mit der Zugfestigkeit bei langen Horizontalbohrungen allerdings an ihre Grenzen. Momentan werden auf den Kabelprojekten die Bohrlängen noch durch die derzeit lieferbaren Kabellängen begrenzt. Sollte sich hier mit der Zeit eine die Möglichkeit für längere Kabel ergeben, wären die entsprechenden, ausreichend zugfesten HDPE-Rohre natürlich wünschenswert.
Weiterhin ist es nicht immer möglich, einen Rohrstrang für den Einzug in ein HDD-Bohrloch auf kompletter Länge vorzufertigen, wenn hierfür die Arbeitsraumlänge hinter der Horizontalbohrung nicht ausreicht. Eine Vorfertigung von Teilsträngen und ein Verschweißen der Teilstränge während des Rohreinzugs ist zwar möglich, jedoch mit entsprechendem Stillstand des Einzugs sowie mit der Tatsache verbunden, dass die Innenwulst der Verbindungsschweißnaht nicht entfernt werden kann. Diese stellt ein potenzielles Hindernis bzw. Risiko für den späteren Kabeleinzug dar. Hier wäre es wünschenswert, eine Rohrverbindungstechnik zur Verfügung zu haben, welche zügig herzustellen ist und ohne innere und äußere Wanddickenerhöhung auskommt. Insbesondere bei Anlandungsbohrungen könnte eine solche Technologie auch das Verschweißen von Einzelrohren, Doppel- oder Dreierlängen etc. auf einem Ponton während des Einzugs in das Bohrloch ermöglichen und so das aufwendige Einschwimmen und Positionieren des gesamten Rohrstrangs überflüssig machen. Das egeplast Smart-Connect-System geht hier schon in eine solche Richtung. Die Rohrverbindung muss dabei die Festigkeitseigenschaften wie das Grundrohr aufweisen können.
Autoreninfo
Marc Schnau ist Inhaber des Ingenieurbüros x-plan schnau engineering GmbH & Co. KG, welches Planungs- und Beratungsleistungen auf dem Gebiet der grabenlosen Rohrverlegung und hier insbesondere dem Horizontalspülbohrverfahren (HDD) anbietet. Sowohl nationale als auch internationale Netzbetreiber, Trassenplaner und ausführende Unternehmen zählen zum Kundenkreis. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Horizontalspülbohrtechnik (HDD) und artverwandte Verfahren ist er ebenso für Gerichte und Versicherungen tätig. Im Auftrag der DVGW Cert GmbH führt er Unternehmensprüfungen im Rahmen von Zertifizierungen nach DVGW Arbeitsblatt GW302 aus. Er ist langjähriges Vorstandsmitglied und derzeit Vizepräsident des DCA.