DIN-Norm 18220: Verpasste Chance für die Beschleunigung des Glasfaserausbaus?
Um den Glasfaserausbau in der Mindertiefe-Legung, d. h. bei einer Legung oberhalb der Regeltiefe oder oberhalb des Planums, einheitlich zu regeln, wurde am 28.07.2023 die DIN Norm 18220 „Trenching-, Fräs- und Pflugverfahren zur Legung von Leerrohrinfrastrukturen und Glasfaserkabeln für Telekommunikationsnetze“ veröffentlicht. Dipl.-Ing. Meinolf Rameil, Technischer Geschäftsführer bei Tracto-Technik, erläutert im Experteninterview mit Dr.-Ing. Thorsten Späth, Leiter egeplast-Produktmanagement, Vor- und Nachteile der neuen Norm.
Die neue DIN Norm 18220 wird von der Branche zwar grundsätzlich begrüßt, von mancher Seite aber auch kritisch bewertet. Denn wenngleich eine Norm für die inbegriffenen Sonderformen der offenen Bauweise sicher sinnvoll und wichtig ist, bleibt die Frage nach den grabenlosen Verfahren offen. Dipl.-Ing. Meinolf Rameil, Technischer Geschäftsführer bei Tracto-Technik, hat im Gespräch mit Dr.-Ing. Thorsten Späth, Leiter egeplast-Produktmanagement, deutlich Stellung zum Thema genommen.
Thorsten Späth: Ganz allgemein: Wie schätzen Sie die DIN 18220 ein?
Meinolf Rameil: Grundsätzlich ist es richtig und wichtig, die in der DIN 18220 genannten Sonderverfahren der offenen Bauweise zu normen. Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, diese Alternativen zur klassischen offenen Bauweise zum Stand der Technik werden zu lassen. Das große Manko der Norm ist aber, dass der gesamte Bereich der grabenlosen Verfahren keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird eine wichtige Chance vertan, diese modernen und für den Glasfaserausbau sehr gut geeigneten Verfahren häufiger als heute in den Einsatz zu bringen.
Meinen Sie, dass die Nicht-Erwähnung der grabenlosen Verfahren sich negativ auf deren Rolle innerhalb des Glasfaserausbaus auswirken wird?
Ja, ich denke, man könnte die Norm so auffassen, dass nur die dort aufgeführten Verfahren als Alternative zum offenen Baugraben zum Einsatz kommen dürfen.
Trenching-Verfahren bieten gegenüber der traditionellen offenen Bauweise mit Baggereinsatz Vorteile und gehören entsprechend in eine solche Norm. Aber warum bleiben die grabenlosen Verfahren ungeregelt? Oftmals sind sie nicht nur aus ökonomischer, sondern vor allem auch aus ökologischer Sicht vorzuziehen. Eine Norm, die diese modernen Verfahren außen vor lässt, erweist dem Ziel des raschen, kostengünstigen und vor allem nachhaltigen Glasfaserausbaus einen Bärendienst.
Wie groß schätzen Sie den Einfluss oder die Bedeutung dieser Norm innerhalb dieses komplexen Themengefüges ein?
Ich gehe nicht davon aus, dass die Nicht-Erfassung der grabenlosen Verfahren in der DIN 18220 direkte Auswirkungen auf den Einsatz dieser Verfahren haben wird. Was ich aber durchaus für realistisch halte, ist ein gewisses Maß an Marktverzerrung – hier unterstelle ich natürlich keine Absicht.
Aber die Norm wird durch Politik und Verbände kurzfristig stark in den Fokus rücken. Für Kommunen und Telekommunikationsunternehmen wird es – richtigerweise – Schulungsangebote und umfangreiche Informationsmöglichkeiten geben. Im Ergebnis werden die in der DIN 18220 genormten Verfahren automatisch häufiger ausgeschrieben und eingesetzt. Im Umkehrschluss bedeutet das für die grabenlosen Verfahren einen Nachteil.
Dabei wäre in Ihren Augen die gegenteilige Entwicklung anzustreben?
Keine Frage. Grabenlose Bauverfahren, zum Beispiel das Horizontal-Spülbohrverfahren oder die Erdrakete, sollten bei der Verlegung von Glasfasernetzen viel häufiger eingesetzt werden. Wir brauchen in diesem Bereich Lösungen, bei denen die Beanspruchung der Oberfläche über der Kabeltrasse minimal ist. Natur, Menschen, Wohngebiete, Straßenverkehr, Geschäfte und Unternehmen – grabenlose Verfahren minimieren die Beeinträchtigungen und stehen für kurze Bauzeiten, geringen Platzbedarf und kostengünstige Ausführung.
Wie hätte die Norm in Ihren Augen aussehen müssen?
Meines Erachtens liegt die Notwenigkeit einer umfassenden Normenfamilie auf der Hand. So könnten alle alternativen Legemethoden abgedeckt werden – auch in Regeltiefe.
Sie sprechen die Regeltiefe an. Sehen Sie Nachteile in der mindertiefen Legung?
Trotz ihrer Vorteile ist auch die mindertiefe Legung ein massiver Einschnitt in eine ehemals intakte Infrastruktur. Teils vergehen nach Abschluss der Bauarbeiten nur wenige Monate, ehe die negativen Auswirkungen deutlich werden. Neben Frostschäden zählen auch Niveauveränderungen oder Bodenverschiebungen des Straßenkörpers zu den bekannten Problemen.
Für die verlegten Glasfaserkabel bedeutet die geringe Tiefenlage dann eine ständige Gefahr von Beschädigungen. Später folgende andere Bauaufgaben erfordern erhöhte Aufwände, teilweise kann sogar eine Neuverlegung notwendig werden. Überdies fehlt ein umfassendes Leitungskataster zur Dokumentation der exakten Lage der Glasfaserleitungen, wodurch die Gefahr für Schäden oder Netzausfälle zunimmt.